Auf einen Kaffee mit der Schwerbehindertenvertretung
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Swetlana Maier und Martin Rolfes bilden seit 2022 das Team der Schwerbehindertenvertretung bei der apetito AG. Im Interview berichten sie über ihre Aufgaben, die besonderen Herausforderungen im betrieblichen Alltag und darüber, warum es wichtig ist, bewusst und korrekt über Behinderung zu sprechen.
Frau Maier, Herr Rolfes – wen vertretet Ihr konkret in Eurer Funktion als Schwerbehindertenvertretung bei apetito?
Offiziell vertreten wir rund 115 schwerbehinderte Mitarbeitende der apetito AG. Tatsächlich wenden sich aber viele weitere Beschäftigte mit Unterstützungsbedarf an uns – etwa Personen mit einem Grad der Behinderung unter 50, die (noch) nicht gleichgestellt sind, oder Mitarbeitende mit gesundheitlichen Einschränkungen ohne offizielle Anerkennung. Unser Anliegen ist es, auch diesen Menschen Gehör zu verschaffen und sie bestmöglich zu begleiten.
Seit wann seid Ihr in dieser Funktion aktiv und wie kam es dazu?
Wir wurden im April 2022 in das Amt gewählt, nachdem unser Vorgänger in den Ruhestand ging. Der Anstoß kam durch eine persönliche Empfehlung aus dem Unternehmen. Ohne vorherige Erfahrung sind wir gemeinsam in die neue Aufgabe hineingewachsen. Die Anfangszeit war fordernd, aber heute können wir sagen: Wir haben die nötige Sicherheit entwickelt, um unsere Arbeit mit Überzeugung und Wirkung zu gestalten.
Wie gestaltet sich Euer Arbeitsalltag?
Einen typischen Arbeitstag gibt es bei uns nicht. Wir begleiten sehr individuelle Anliegen – häufig kommen Kolleginnen und Kollegen auf uns zu, wenn der Grad der Behinderung herabgesetzt wurde oder wenn sie erstmals über ihre Einschränkungen sprechen möchten. Wir unterstützen bei Gleichstellungsanträgen, Grad-der-Behinderung-Erhöhungen und beraten zu Möglichkeiten innerhalb des Unternehmens.
Darüber hinaus engagieren wir uns in strategischen Themen wie der betrieblichen Barrierefreiheit oder der Inklusionsvereinbarung, die seit Anfang 2025 in Kraft ist. Sie sichert allen betroffenen Mitarbeitenden ein jährliches Gespräch zu. Dafür sind wir auch regelmäßig an den dezentralen Standorten der apetito AG im Einsatz – etwa in Berlin oder Hannover.
Wo liegen dabei die größten Herausforderungen?
Zum einen im rechtlichen Rahmen: Wir sind keine juristischen Berater und können daher nur begleiten oder an entsprechende Stellen verweisen. Zum anderen ist der Zeitfaktor eine zentrale Herausforderung – sowohl für uns als zum Teil ehrenamtlich Tätige als auch für die betroffenen Mitarbeitenden. Vieles klären wir daher zunächst telefonisch.
Gab es ein besonders prägendes Erlebnis in Eurer bisherigen Amtszeit?
Viele Situationen bleiben uns im Gedächtnis. Häufig sind es kleinere Maßnahmen oder Gespräche, die für die Betroffenen einen großen Unterschied machen. Besonders bewegend ist für uns, wenn Mitarbeitende sich nach einem Gespräch gehört und entlastet fühlen. Da wir selbst beide einen Grad der Behinderung haben, können wir viele Anliegen gut nachvollziehen. Diese persönliche Betroffenheit ist ein wichtiges Fundament unserer Arbeit.
Wie erlebt Ihr die Offenheit innerhalb des Unternehmens zum Thema Inklusion – und was wünscht Ihr euch langfristig?
Es hat sich in den vergangenen Jahren vieles positiv entwickelt. Formate wie der Diversity Day zeigen die wachsende Offenheit und das Interesse vieler Kolleginnen und Kollegen. Dennoch wünschen wir uns langfristig noch mehr Sichtbarkeit, Sensibilisierung und Beteiligung. Jeder Mensch kann durch Krankheit oder Unfall selbst betroffen sein – Inklusion sollte daher selbstverständlich sein.
„Es ist schon schlimm genug, wenn man eine Einschränkung hat – wenn es einem dann noch schwer gemacht wird, ist das besonders traurig.“
Wenn wir über inklusive Unternehmenskultur sprechen, spielt auch Sprache eine große Rolle. Warum sollte man zum Beispiel nicht von „Mitarbeitenden mit Handicap“ sprechen – obwohl das oft als freundlich gemeint empfunden wird?
Auch wenn der Begriff „Handicap“ für viele zunächst freundlicher klingt, ist er juristisch nicht präzise. Die gesetzlich verankerte Formulierung lautet „Menschen mit Behinderung“. Diese Terminologie soll die Schutzbedürftigkeit betonen und ist in der arbeitsrechtlichen Kommunikation entscheidend. Gleichzeitig empfinden viele Betroffene das Wort „Behinderung“ als belastend – hier gilt es, sensibel abzuwägen.
Welche Begriffe sind korrekt – und warum ist Sprache so bedeutend?
Die Sprache rund um Behinderung trägt maßgeblich zur Wahrnehmung und Akzeptanz bei. Die gesetzlich korrekte Bezeichnung ist „Mensch mit Behinderung“. Begriffe wie „Schwerbehinderung“ oder „gleichgestellt“ folgen den sozialrechtlichen Definitionen. Uns ist wichtig, dass Sprache wertschätzend und inklusiv verwendet wird – denn Inklusion beginnt im Kopf.
Welche Ziele habt Ihr euch für das Jahr 2025 gesetzt?
Ein zentrales Ziel bleibt die Weiterentwicklung der Barrierefreiheit am Standort Rheine und an den dezentralen Standorten. Wir haben bereits neue Behindertenparkplätze eingerichtet und mit der Absenkung von Bordsteinen begonnen – weitere Maßnahmen folgen.
Die Inklusionsvereinbarung, die wir gemeinsam mit dem Arbeitgeber realisiert haben, ist für uns ein Meilenstein. Zudem arbeiten wir an einem neuen Evakuierungskonzept für Mitarbeitende mit Einschränkungen. Auch die Zusammenarbeit mit externen Partnern, wie den Caritas-Werkstätten, möchten wir intensivieren – etwa durch zusätzliche Arbeitsmöglichkeiten im Bereich Menülogistik.
Ein großes Dankeschön für eure Arbeit – und dieses ehrliche Gespräch.